Wir können alle Bildungsagenten werden!

Als Moderatorin der zweiten Online-Diskussionsrunde zum 20-jährigen TiL-Jubiläum hatte ich das Vergnügen, mit Katja Urbatsch und Lisa Graf über die Bedeutung von Stipendienprogrammen für Studierende und ihren Einfluss auf die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu sprechen. Das Thema „Vorbild oder Feigenblatt? – Können Stipendienprogramme strukturelle Herausforderungen der Bildungsgerechtigkeit ausgleichen?“ führte zu einer fesselnden Debatte.
Lisa Graf, ehemalige Gymnasiallehrerin, engagiert sich heute als Autorin, Beraterin und Rednerin für mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Katja Urbatsch ist Gründerin von Arbeiterkind.de, eine Plattform für Studierende aus nicht-akademischen Familien. Sie leitet diese gemeinnützige Initiative mit einem beeindruckenden Netzwerk aus Mentoren und Freiwilligen.
Wir diskutierten die Auswirkungen struktureller Benachteiligung auf Menschen aus nicht-akademischen Familien. In Deutschland sind Bildungswege nach wie vor stark von der sozialen Herkunft geprägt. Lisa Graf betonte den Unterschied zwischen individuellen und strukturellen Problemen: Während Individuen persönliche Herausforderungen bewältigen können, können sie strukturelle Ungleichheiten nicht allein lösen.
Lisa Graf berichtete von ihren Erfahrungen als ehemalige Lehrerin und wie sich strukturelle Ungerechtigkeit im Schulalltag zeigt. Im deutschen Bildungssystem gilt die Einbindung der Familie als entscheidender Faktor für den Bildungserfolg. Dies schafft finanzielle Barrieren und schränkt die kulturelle Teilhabe ein, insbesondere für Schüler aus Arbeiterfamilien.
Wir warnten davor, den sozialen Aufstieg nur als positiv zu betrachten und betonten die Bedeutung des Begriffs „Aufsteigerin“. Es ist wichtig, die berufliche Ausbildung im Vergleich zu akademischen Abschlüssen nicht zu unterschätzen. Wir sollten auch diejenigen nicht übersehen, die trotz ihres Potenzials im Bildungssystem scheitern.
Können Stipendienprogramme wie TiL und Initiativen wie Arbeiterkind.de den Druck zu systemischen Veränderungen verringern? Solange Bildungsungleichheit besteht, müssen wir weiterhin möglichst viele Studierende fördern. Ehemalige Stipendiaten werden oft zu Mentoren und Multiplikatoren, die Veränderungen vorantreiben oder eigene Initiativen starten.
Eine gerechtere Bildung für alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland erfordert gemeinschaftliches Engagement. Und jeder kann dazu beitragen: indem er anderen hilft und zum „Bildungsagenten“ wird.